Sagen aus dem Porzer Raum
Bisher habe ich die folgenden Sagen und Hinweise auf
den Aberglauben im Raum Porz gefunden (die meisten Sagen wurden
von Johann Bendel und Carl Breuer aufgezeichnet):
General Borholm (Wahner Heide)
Der Amtmann von Porz (Porz)
Der Hollstein (Wahner Heide)
Der spukende Meister Hubert Hochhut
(Wahner Heide)
Die Kitschburg bei Lind (Lind)
Die versunkene Stadt (Wahner Heide)
Vom Makolpes, vom Griemes und vom
absterben des Aberglaubens (Heumar - Libur)
General Borholm (Wahner Heide)
Von dem höchsten Hügel der Wahner Heide, der hohen Schanz, erzählt die
Sage, dass dort der mächtige General Borholm in einem goldenen
Sarge liege.
so aufgezeichnet von Johann Bendel
Der Amtmann von Porz (Porz)
Im Amt- und Hauptgericht Porz regierte einmal ein Amtmann, der war
unmenschlich hart und grausam gegen seine Untertanen. Von den
armen Bauern erpresste er den letzten Heller über den vom Herzog
angesetzten Zehnten hinaus und unterdrückte Witwen und Waisen.
Die Hirsche des Königsforstes fraßen und zerstampften die karge
Saat und wenn der Bauer zur Selbsthilfe griff, strafte ihn der
Amtman an Leib und Leben. Eines Morgens fand man ihn, von der
Kugel eines Wilderers durchbohrt, tot am Wolfsweg am Stamm
einer Eiche liegen.
Der Fluch des gequälten Volkes aber verfolgte ihn noch
über das Grab hinaus. In dunklen stürmischen Nächten kommt es
aus dem Geisterbusch nahe dem Herfeld, durch die Luft daher mit
Pferdegewieher und Hundebellen, mit Peitschenknall und
Hussaruf, und mitten im grausigen Geisterzug, gejagt von
fratzenhaften Unholden, der Amtmann von Porz im Tressenhut und goldbordierten roten
Rock auf einem mit vier Rappen bespannten Wagen. So jagt es ihn
im Brausen des Sturmes über die weite Heide dahin, dass
Wacholder und Birken sich tief zur Erde beugen. Der Landmann
aber schließt Fenster und Tür und betet, dass der nächtliche
Spuk ihm kein Unheil zufüge."
so aufgezeichnet von Carl Breuer
Der Hollstein (Wahner Heide)
Dieser riesenhafte Stein kehrt seine tiefgemeißelte
Öffnung dem Rheintale zu. Er hat die Form eines in zwei Kanten
spitz auslaufenden Hutes. Die tiefe Höhlung dieses Steines
dient jetzt noch den umwohnenden Hirten als Zufluchtsort bei
heftigem Unwetter. Dieser Stein wird Hutstein, Hollstein oder
Heidenstein genannt.
Alte Leute erzählen, dass die Heiden, Riesen und Zwerge
diese Steinhöhle besuchten. Was jetzt noch daran zu sehen, ist
bloß der Eingang, eine Türöffnung, die mit einer starken,
steinernen Tür versehen war. Als die Heiden aus hiesiger Gegend
vertrieben wurden, flüchteten sie in die Höhle, die in viel
verzweigten Gängen bis unter den Ravensberg führte. Unter dem
Ravensberge aber waren geräumige Hallen und Säle, worin die
Heiden lebten. Oft brachen diese hervor, plünderten die
Umgegend und kehrten mit reicher Beute in die Nacht des Berges
zurück. Endlich wurde unser Herrgott des Heidenvolkes müde und
ließ den Ravensberg gleich dem Lüderich zusammenstürzen und den
Eingang am Hutsteine zuwachsen. Wenige Zwerge nur, die zufällig
draußen waren, blieben am Leben und gesellten sich den Zwergen
am Wolsberge zu, kehrten aber bisweilen zum Hollsteine zurück,
um ihr untergegangenes Volk zu beklagen. Auch sah man oft bei
Nacht eine weiße Frau auf dem Hollsteine sitzen und einen Wagen
mit feurigen Rädern und mit Katzen bespannt zwischen dieser
Stätte und dem Wolsberge fahren. In jeder Mainacht aber sah man
das Gespenst eines Riesen, der pflegte den gewaltigen Stein als
seinen Hut aufzusetzen - daher der Name Hutstein - und wenn er
ihn um Mitternacht wieder ablegte, so erzitterte die Erde.
Manche Leute, die in der Mainacht des Weges kamen, sind zu Tode
erschrocken. Daher wird noch heute der Hollstein zur Nachtzeit
gemieden.
so aufgezeichnet von Johann Bendel
Der spukende Meister Hubert Hochhut (Wahner Heide)
In Köln zu Bayen stand ein großes Haus, das Eigentum
der Familie von und zum Pütz war. In diesem Hause trieb vor
Zeiten der Meister Hubert Hochhut sein Wesen. Kam jemand am
Hause vorbei und rief: "Hubert Hochhut!" dann wurde
er mit Erbsen beworfen und empfing Maulschellen. Im Hause
beging er allerlei Unsinn; er ließ die Schweine aus dem Stalle,
machte die Kühe los, entrahmte die Milch und dergleichen mehr.
Saßen am Abend die Weingärtner ums Faß, dann erschien stets ein
kleines Männchen, das immer im Dreischlag "Höpedehöp"
ging, am Feuer spielte und andere Kurzweil trieb. Es hatte
einen grauen Bart und einen sehr hohen Hut auf dem Kopfe; darum
wurd es Hubert Hochhut genannt. Aber alle Leute fürchteten
sich, ihm etwas zu sagen.
Nun wohnten einst etliche Männer zu Köln, die sich auf
das Christoffel-Büchlein verstanden, Diese wollten den Hubert
Hochhut bannen. Darum gingen sie in einer Nacht in das Haus und
setzen sich im Keller in einen Kreis, um so Hubert Hochhut zu
bannen, Da kam es auf einmal Höpedehöp in den Kreis, und das
graue Männchen ließ sich sehen, grinste die Männer an und machte
die verschiedensten Grimassen. Zuletzt überlief einen der
Männer ein Grausen, er erhob sich und sprang aus dem Kreise
hinaus. Sogleich war auch das Männchen verschwunden, und die
Teufelsbanner empfingen von allen Seiten die schönsten Prügel,
so dass sie froh waren, als sie endlich aus dem Keller heraus
waren. Aber jetzt trieb Hubert Hochhut erst recht sein wildes
Wesen, bis er endlich nach der Wahner
Heide verbannt wurde, Doch muss man ihm jedes Jahr ein Paar
bleierne Schuhe und ein Kegelspiel geben, damit kegelt er bis
auf den heutigen Tag.
so aufgezeichnet von Johann Bendel
Die Kitschburg bei Lind
(Lind)
Vor vielen hundert Jahren stand bei dem Dorfe Lind, wo damals fruchtbare Felder lagen,
jetzt aber nur Moräste sind, eine Burg mit hohem Turme, die
Kitschburg. Hier wohnte ein tapferer Rittersmann, ein guter
Freund des Kaisers Barbarossa. Als dieser zum Heiligen Krieg
zog, rüstete auch der Kitschburger zum Kreuzzug und ließ daheim
sein einzig Kind Adelheid in Schutze seiner Diener zurück. Sein
Weib war ihn schon früh gestorben. Nach vierzehn Monden kehrte
der Graf siegreich zurück, beladen mit Kriegstrophäen. Und nun
wurden auf der Burg frohe Feste gefeiert, und Jungfräulein
Adelheid bewirtete alle Gäste auf das beste.
Mancher der tapferen Ritter begehrte sie zum Gemahl.
Doch sie war nur einem gut, dem Junker von Waldenburg, und zur
nächsten Sonnenwende sollte schon die Hochzeit sein. Aber der
Ritter von den Linden, den das Burgfräulein abgewiesen, schwur
dem glücklichen Paare schlimme Rache.
An der wasserumflossenen Burg lag ein Kahn, auf dem
die beiden oft das Linder Meer befuhren. Eines Abends. als eben
die letzten Gäste die Burg verlassen hatten, fuhren die im
Mondenschein wieder auf das glitzernde Wasser hinaus. Da hörten
sie vom Pappelufer laute Hilferufe erschallen. Schnell lenkte
Ritter Kurt den Kahn zum Ufer hin und sprang in das Gebüsch
hinein, Doch da blitzte ihm plötzlich ein scharfer Dolch
entgegen und traf ihn in das Herz. Lautlos brach er zwischen
dem Gestrüpp zusammen, der feige Mörder aber floh im Dunkel der
Nacht. Nach in derselben Nacht trug man eine viel beweinte
Leiche in die Burg und wenige Tage darauf auf den Friedhof.
Adelheid legte gramgebeugt frische Rosen auf des Liebsten
frühes Grab. Den schändlichen Mörder aber trieb Furcht und
Entsetzen über die Erde hin, bis auch ihn der Tod erfasst hatte.
Und die öde Burg ward bald ein Raub der Flammen, nur die Stelle
zeigt man noch, wo sie einstens stand. Und der nächtliche
Wanderer erblickt oftmals noch den Kahn mit Ritter Kurt und
Adelheid und hört aus dunklem Pappelbusche leise Hilferufe
tönen. Und mit Schaudern sucht er aus der Nähe dieses Ortes zu
kommen.
so aufgezeichnet von Johann Bendel
Die versunkene Stadt (Wahner Heide)
Vor uralten Zeiten hat am Herfeld auf der Wahner Heide eine Stadt gestanden, die hieß
Thing. Sie ist im grundlosen Moor versunken, und Sonntagskinder
hören an stillen Abenden aus der Tiefe ihre Glocken läuten.
so gefunden in "Heimatkundliche Plaudereien" von
Carl Breuer
Vom absterbenden Aberglauben zwischen Heumar und Libur
Von Heinrich Lob, Urbach
Der Aberglaube war im ganzen Porzer Gebiet zwischen
Heumar und Libur um die Mitte des 19. Jahrhunderts
ziemlich verbreitet. Große Teile der Bevölkerung glaubten noch
an Hexerei und unsinnige Geistergeschichten. Begünstigt wurde
diese Einstellung durch die ländliche Abgeschiedenheit der
Ortschaften, die nachts in völliger Finsternis lagen. Selbst in
den Häusern war das Licht äußerst kümmerlich. An den langen
Winterabenden saßen die Familien stundenlang im Dunkeln; nur
aus dem Aschenloch des Ofens drang ein kärglicher roter Schein
in den Raum. Man betete den Rosenkranz, man erzählte
Familiengeschichten bis zu den Ureltern zurück und zu allen
verwandtschaftlichen Abzweigungen hin, und gruselige
Geschichten wurden immer wieder aufgefrischt.
Einmal war es der "Griemes" der abends die
Kinder in den Sack steckte, dann war es der
"Malkolpes", ein grässliches Ungetüm, das nachts
hinter den Hecken hockte, dann wieder war es ein weißes Tier,
das nachts durch die Felder zog, oder man hatte Gespenster an
der Kirchhofshecke gesehen. Da war ein Mann mit einem
Hexenbuch, aus dem er bestimmte Sprüche las, mit denen er wilde
Pferde zähmen oder einen Menschen auf der Stelle festbannen
konnte. Er versuchte sogar' auf dem Kirchhof Tote zum Reden
zu bringen. Und da war ein alter Mann der mit einem großen
alten Buch den Menschen die Zahn und Ohrenpein abnahm und das
mit Erfolg. Auch gab es noch die Hexe, von der die Kühe
gezwungen wurden, Blut zu geben statt Milch. Nachts flogen
Eulen aus den Schallöchern des Kirchturms krächzend über die
Häuser und kündeten damit das Sterben eines Dorfbewohners an.
Wenn daher damals ein Bauer eine Eule im Scheunenfirst
erwischte, drehte er ihr den Hals herum und nagelte sie ans
Scheunentor, um die unheimlichen Artgenossen abzuschrecken.
Auch wenn die Hunde nachts jämmerlich jaulten, musste einer
sterben. Und Hundefett: war ein Heilmittel gegen die Zehrung
(Tuberkulose). Am Johannistag ging noch hier und da ein
Bäuerlein um seinen Weizenacker und betete das Evangelium des
Tages, um seine Frucht vor einfallenden Spatzenschwärmen zu
schützen. Und da hatte wieder einer nachts weit im Felde die
Feuermänner, gesehen, und in der Jungfernhütte hatten die
feurigen Jungfrauen wieder getanzt. Bei Leidenhausen war das.
Am Tambourkreuz war es nachts, unheimlich, und die Dammshecke
zwischen Eil und Heumar war für die Nachtwanderer
gefährlich, weil dort Räuber, Wegelagerer und Zigeuner
lagerten. Dasselbe galt für den Kuckuck im Wahner Loch. So
hatte jeder Ort unseres Raumes seine Angststellen.
Eine Brutstätte des Aberglaubens waren auch die
damaligen Totenwachen. Starb einer, so blieben die Nachbarn
drei Nächte lang bei der Leiche in der Kammer. Nach außen hin
mutig, aber innen voller Furcht, versahen sie diesen
Liebesdienst, erzählten sich dabei die unheimlichsten Sachen
und vertrieben sich mit Kornschnaps die Angst aus dem
Magen.
Aber die ganze Fülle dieser abergläubischen
Vorstellungen verblasste von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr.
Die Finsternis der Nacht erhellte sich langsam. Die
Petroleumlampe mit ihrem milden klaren Licht hielt immer mehr
ihren Einzug in die Häuser unserer Altvorderen. Auch die nachts
mit Lärm und Gepruste auf den Schienen der Rheinischen
Eisenbahn durch unsere Gemarkungen ratternden Züge brachten
Licht und Leben. Der 1874 gebaute Hochofen Adelenhütte warf
nachts einen hellen Feuerschein, der die Wolken rot färbte. Und
wenn das fließende Eisen abgestochen wurde, ging das Tosen und
Zischen durch den ganzen Bezirk. Es störte niemanden, man wusste,
dass dort gearbeitet wurde. Und die Wahner Heide war seit 1817 ein Artillerieübungsplatz geworden, der immer
mehr erweitert wurde. Dort gingen manchmal auch nachts die
Kanonen los, und Leuchtraketen stiegen zum Himmel.
Die Menschen der einzelnen Dörfer kamen durch die
Eisenbahn und die aufkommende Industrie Tag und Nacht zusammen.
Die ersten Zeitungen fanden Eingang in den Porzer Raum. Die
Menschen wurden freier und mutiger. Ein Gespenst nach dem
andern wurde entlarvt. Meist waren es Diebe, die nachts im
Felde auf Beute ausgingen. Eine Spukgestalt mit drei Fuß langen
Hörnern entpuppte sich als ein Mann, der sich eine Schürgkarre
auf den Rücken band, die Holme nach oben, um so geräuschlos ins
Feld zu kommen. Ein anderer warf in dunkler Nacht eine Schlinge
um einen Getreidehaufen, nahm das riesige Bündel huckepack und
schlich auf leisen Sohlen heim. Und die Feuermänner gruben
nachts die Grenzsteine aus, vergaßen auch nicht, die
Glasscherbe unter dem Stein mit herauszunehmen, um Glas und
Stein um eine Furche breit zu versetzen.
Auch das weiße Tier wurde als eine Felddiebin
entlarvt. Der Hexenmeister mit seinem Orakelbuch bekam in der
alten Urbacher Schmiede von einem nichtsnutzigen Pferd einen
Tritt, so dass er samt seinem Buch durch das Schmiedetor flog.
Als er einen Mann am Porzer Weg festbannen wollte, war es der
unrechte; denn der gab ihm eine Ohrfeige, dass er im Straßen
graben landete. Und als er zur Geisterstunde einen Mann, der
seinen toten Bruder noch etwas fragen wollte, mit auf den
Kirchhof nahm, antwortete der Tote nicht, selbst nicht nach dem
dritten Anruf. Und als da der Hexenmeister sagte: "Es geht
heute nicht, der Wind steht verkehrt",da war der Spott
groß in der Gemeinde. Der Hexe kam man dahinter, dass sie ein
gewisses Kraut sammelte und den Kühen vorwarf. Es war die
Arnika, jene Pflanze, die den Kühen das Blut in die Milch
treibt. Die feurigen Jungfrauen am Sumpf bei Leidenhausen waren
nichts anderes als die alten Weidenstümpfe, deren faulendes
Holz bei gewissen Wetterverhältnissen stark phosphoreszierte.
Das Gesundbeten gründete sich auf pure Einbildung, die auch
heute in der Heilkunde Bedeutung hat. Der Umgang um den
Weizenacker hatte nur wechselnden Erfolg; mal war die
Spatzenplage groß, mal war sie klein. Und mit den Jahren kam
das Bäuerlein auch da hinter, dass die Eulen ihm nur die Mäuse
aus der Scheune holten, die dort doch so sehr schadeten.
Manche nächtliche Spukerei blieb auch von selber aus,
als die halbwüchsigen Burschen mehr und mehr zu Fabrikarbeitern
wurden, in Tag- und Nachtschichten arbeiten mussten und auch
sonst andere Ablenkung bekamen. So schwand der Aberglaube in
diesen fünf Jahrzehnten langsam dahin bis auf den Rest der
niemals sterben wird. Gibt es doch eine Regel, die besagt, dass
sich gerade der Ungläubige an den Aberglauben klammert.
aus dem "Bergischen Kalender 1959"
Abbildungen:[1] Porzer Wappen, aus
"Unser Porz", Heft 2, 1961
[2] Zeichnung von J. Krauthäuser, aus "Hexenball
im Königsforst", Seite 67
[3] Poltergeist, aus "Die Welt der
Naturgeister", Seite 235
[4] Märchenschloß, aus "Prinz Eisenherz",
Band 3, Seite 28
[5] Alptraum, aus "Prinz Eisenherz", Band 2,
Seite 18
Quellen:[1] "Heimatbuch des Landkreises
Mühlheim am Rhein" von J. Bendel, 1925
[2] "Bergischer Kalender 1959", 1959
[3] "Porz - Die Junge Stadt am Rhein" von
der Stadtverwaltung Porz, 1951
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letzte Änderung: 02.01.2000
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